Unter dem Titel „Kinder von Inhaftierten – gemeinsam Verantwortung tragen“ fand am 8. Oktober 2025 im Willy-Brandt-Haus Berlin ein ganztägiger Fachtag der Freien Hilfe Berlin e.V. und der Koordinierungsstelle Kinder von Inhaftierten (KVI Berlin) statt. Ziel der Veranstaltung war es, Fachkräfte, Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft für die Lebenssituation von Kindern mit inhaftierten Eltern zu sensibilisieren und gemeinsam Wege zu einer besseren Unterstützung dieser Familien zu entwickeln.
Nach Grußworten der Staatssekretäre Falko Liecke (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie) und Dirk Feuerberg (Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz), sowie von Marc von Krosigk (Auridis-Stiftung, Fördermittelgeberin), wurde deutlich, dass die Verantwortung für diese oft unsichtbare Zielgruppe ressortübergreifend wahrgenommen werden muss. Besonders hervorgehoben wurde die Bedeutung von Teilhabe, Entstigmatisierung und systemübergreifender Zusammenarbeit.
Kathleen Kurch, Geschäftsführerin des Freie Hilfe Berlin e.V., zog in ihrem Vortrag „Drei Jahre Strukturprojekt KVI Berlin – ein Erfolgsrezept?“ Bilanz über die bisherige Arbeit der Koordinierungsstelle. Mehr als 1.000 Fachkräfte aus Justiz und Jugendhilfe wurden in den letzten drei Jahren sensibilisiert. Fünf zentrale Schwerpunkte prägen die Arbeit:
1. Öffentlichkeitsarbeit zur Reduktion von Stigmatisierung
2. Vernetzung zwischen Justiz und Jugendhilfe
3. Fort- und Weiterbildung für Fachkräfte beider Systeme
4. Servicestelle für Fachkräfte und Familien
5. Analyse der Angebotslandschaft, um Zugänge zu Hilfen zu verbessern und Versorgungslücken zu schließen.
Kurch betonte, dass die gute Kooperation der beteiligten Systeme maßgeblich zum Erfolg beigetragen habe und gab einen Ausblick auf zukünftige interdisziplinäre Fortbildungsformate.
Im Anschluss stellte Claudia Kittel, Leiterin der Monitoringstelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte, den übergeordneten menschenrechtlichen Rahmen vor. In ihrem Vortrag „Kind sein trotz Haft der Eltern – Rechte wahren, Verantwortung übernehmen“ betonte sie, dass der regelmäßige Kontakt zu inhaftierten Eltern gemäß Artikel 9 der UN-Kinderrechtskonvention ein Kinderrecht ist.
Gleichwohl besteht noch immer dringender Handlungsbedarf, damit es nicht vom Bundesland abhängig ist, ob ein Kind seine Eltern sehen kann oder nicht, wie der Bericht der Monitoringstelle Kinderrechte konstatiert. Fachkräfte, Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft müssen weiterhin für die Lebenssituation von Kindern mit inhaftierten Eltern sensibilisiert werden, um ressortübergreifend und nachhaltig gemeinsame Unterstützungsstrategien zu entwickeln. Es braucht innovative Projektansätze und Methoden sowie eine etablierte Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Justiz, um Kindern von Inhaftierten eine Zukunftsperspektive zu eröffnen.
Im weiteren Verlauf stellten Vertreterinnen der Senatsverwaltungen – Susanne Gerlach (Justiz) und Kerstin Bernauer (Jugend) – unter dem Titel „(K)eine vergessene Zielgruppe im Justizvollzug/ in der Jugendhilfe“ ihre Aktivitäten zur Stärkung dieser Kinder vor.
Hilde Kugler verdeutlichte anschließend in ihrem Beitrag „Innovationskraft von Netzwerken“, welche Dynamik aus der bundesweiten Zusammenarbeit verschiedener KVI-Projekte entsteht.
Nach der Mittagspause boten vier praxisorientierte Workshops Gelegenheit zur Vertiefung:
- Kreative Arbeit mit Kindern von Inhaftierten (Projekt Heldenhaft)
- Ehrenamtliche Familienpatenschaften (Projekt Ehrenhaft)
- Restorative Praktiken in der Arbeit mit haftbetroffenen Familien
- Stimmen der Angehörigen – mit direktem Austausch zwischen betroffenen Müttern, Jugendlichen und Fachkräften
Die anschließende Präsentation der Workshopergebnisse und eine Podiumsdiskussion fassten zentrale Erkenntnisse zusammen: Kinder von Inhaftierten brauchen Sichtbarkeit, stabile Beziehungen und Systeme, die über Zuständigkeitsgrenzen hinausdenken. Der Fachtag machte deutlich, dass nachhaltige Strukturen, innovative Praxisansätze und Kooperationen zwischen Jugendhilfe, Justiz und Zivilgesellschaft der Schlüssel sind, um diesen Kindern Zukunftsperspektiven zu eröffnen.